Christina Kölbl und ihr ungewöhnlicher Beruf

Die Brennerin vom Tegernsee

Der große Udo Jürgens war der Auffassung, es müsse der Teufel gewesen sein, der den Schnaps gemacht habe. Das ist zwar eine irgendwie hübsche Idee, aber die Wahrheit ist viel banaler. In Wirklichkeit ist es eine junge Frau.

Text: Christian Jakubetz | Fotos: Mathias Leidgschwendner

Die Brennerin vom Tegernsee

Christina Kölbl ist 24. Den Schnaps hat sie zwar nicht erfunden, aber sie macht ihn. Und manchmal, zugegeben, erfindet sie ihn auch ein kleines bisschen neu. Von Berufs wegen darf sich die Gmunderin mit dem unverfälschten oberbayerischen Zungenschlag „Destillateurin“ nennen. Das ist, stark verkürzt gesagt, jemand, der den Schnaps macht. Christina Kölbl protestiert natürlich leise, wenn man ihre tägliche Arbeit derart unzulässig zuspitzt. Weil sie ja nicht einfach irgendeinen Schnaps brennt, den man am nächsten Tag bitter bereut, sondern edle Spirituosen in der „Schlossbrennerei“ Tegernsee (gehört zur Firmengruppe Lantenhammer in Hausham). Im Gegenteil: Christina Kölbl weiß vermutlich sehr viel mehr über Spirituosen als fast jeder andere. Was sie tut, ist nicht irgendwas Hochprozentiges zusammenmixen, sondern viel Handwerk und manchmal auch eine kleine Kunst. Etwas, was man richtig lernen muss. Im Falle eines Destillateurs übrigens satte drei Jahre.

Christina Kölbl ist in ihrem Beruf eine Art Doppel-Rarität. Destillateure sind eine eher seltene Spezies, weibliche Vertreter dieser Zunft sind besonders rar. Als sie ihre Ausbildung macht und zum Berufsschul-Block ausgerechnet in die Bierstadt Dortmund muss, ist sie die einzige Frau unter Männern. Wie kommt man überhaupt auf die Idee, einen solchen Beruf zu ergreifen? Christina Kölbl ist 17, als sie nach der Schule zumindest in einem sicher ist: Womöglich den ganzen Tag in irgendeinem Büro am Computer sitzen, das ist nichts für sie. Schließlich ist sie ein „Naturmensch“. Und als sie eine Stellenausschreibung bei Lantenhammer sieht, bewirbt sie sich. „Ich bin da einfach so reingerutscht“, sagt sie heute, sieben Jahre später. Keine ganz schlechte Wahl anscheinend, schließlich ist sie Lantenhammer und ihrer Heimat am See seitdem immer treu geblieben. Christina Kölbl ist aber nicht „nur“ Destillateurin. Sicherheitshalber und „weil man damit mehr Möglichkeiten hat“, hat sie auch noch eine Ausbildung zur Industrie-Kauffrau absolviert. Eine kleine Absicherung, für den Fall der Fälle. Aber ihre Leidenschaft bleibt dann eben doch der Schnaps. Oder nennen wir es besser: Spirituosen.

Für ihre Arbeit braucht die Destillateurin buchstäblich ein feines Näschen
Dafür braucht man nicht nur technisches Know-how. Sondern vor allem: einen guten Geschmacks- und Geruchssinn. Weil ihre Produkte schmecken und nicht einfach nur im Hals brennen und schlimmstenfalls Kopfschmerzen verursachen sollen, probiert Christina Kölbl ihre Destillate natürlich aus. Bevor jetzt klischeebeladene Vorurteile entstehen: „Ausprobieren“ bedeutet natürlich nicht, dass sie den ganzen Tag schnapsglaswedelnd durch ihren Arbeitsplatz in Hausham läuft und am Ende des Arbeitstages fröhlich angeschickert nach Hause kommt. „Ausprobieren“ heißt vielmehr: immer wieder mal riechen, ab und zu ein einzelnes Tröpfchen versuchen. Tröpfchen bedeutet in diesem Fall wirklich Tröpfchen. Mehr braucht ein Profi nicht, um die Qualität eines Produktes herauszuschmecken. Was ebenfalls hilft: ein geübter Blick auf die Farbe.

Die Brennerin vom Tegernsee
Im Lauf der Jahre hat Christina Kölbl reichlich Erfahrung gewonnen. Trotzdem: Experimentieren nach Lust und Laune gehört immer noch dazu. Im Idealfall entstehen am Ende ganz neue Kreationen.

Natürlich hat Christina Kölbl keine Abneigung gegen Hochprozentiges, das wäre ja auch widersinnig. Was aber wiederum nicht bedeutet, dass Destillateure stärker suchtgefährdet wären als andere. Möglicherweise sogar im Gegenteil: Jemand, der diesen Beruf ergreift, muss schon ein ziemlich professionelles Verhältnis zu seinem Produkt haben. Bei Christina Kölbl hingegen kommt noch etwas anderes dazu. Weil sie leidenschaftlich mit ihren Produkten herumexperimentiert, lässt man ihr bei Lantenhammer nahezu jede Freiheit dazu. Der kleine Dienstweg sieht dann gerne mal so aus: Christina Kölbl zaubert in ihren Kesseln was zusammen, die Chefs und Kollegen probieren es aus. Und wenn es schmeckt, dann steht womöglich kurz darauf ein neues Produkt in der Angebotspalette, wie beispielsweise ein Liqueur oder Geist ihrer Raritas-Serie.

Wer selber mal sehen will, wie Christina Kölbl ihre Spezialitäten herstellt: Nach vorheriger Anmeldung (!) bei Lantenhammer werden Besichtigungen mit Verkostung in der Schlossbrennerei Tegernsee angeboten. Man sollte sich allerdings keine großen Hoffnungen machen, danach zu Hause selber ein paar Schnäpse brennen zu können. Das ist in Deutschland nämlich von wenigen Ausnahmen abgesehen gar nicht erlaubt. Weitere Infos: www.lantenhammer.de

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