Heimatgeschichte(n)
Die Madonna vom Tegernsee
Eine Marienstatue in der Münchner Heilig-Geist-Kirche soll seit Jahrhunderten Wunder bewirken. Ursprünglich stammt die gotische Ikone aus dem Kloster Tegernsee
Text: Tatjana Kerschbaumer
Illustration: Esteban Salas Campos
Die Münchnerin Ursula Hammerthaler hat seit Jahren böse Gliederschmerzen im Arm, als sie gemeinsam mit ihrem Mann 1620 eine Wallfahrt zum Kloster Tegernsee macht. Recht unscheinbar und unbeachtet sieht sie eine Statue der Muttergottes in einem Winkel der Klosterkirche stehen. Niemand interessiert sich sonderlich für die Madonna aus dem 15. Jahrhundert, doch Ursula Hammerthaler fühlt eine starke Kraft von ihr ausgehen. Sogar als sie wieder zurück in München ist, muss sie ständig an die Heiligenstatue denken. Sie bittet den Abt, ihr die Madonna zu überlassen. Manche Quellen sagen auch, die wohlhabende „Hammerthalerin“ habe die Statue dem Kloster abgekauft, in jedem Fall: der Abt sagt ja und schickt das Marienbild nach München.
Sofort stellt Ursula Hammerthaler sie in der Hauskapelle ihres „Hammerthaler Hofs“ auf, damals eine gut gehende Weinschänke im Münchner Tal, nahe dem Viktualienmarkt. Und schon bewirkt die Madonna das erste Wunder: Die Hammerthalerin kann endlich ihren Arm wieder bewegen, ihre Gliederschmerzen sind Geschichte. Schnell spricht sich in München und Umgebung herum, dass die Kapelle der Wirtschaft eine heilende Ikone beherbergt. Der Andrang ist gewaltig, die Hammerthaler Hauskapelle ist bald überlaufen von Kranken und Gebrechlichen, die sich ebenfalls kurieren lassen wollen.
Der Rummel wird schon 1624 so groß, dass Ursula Hammerthaler sich entschließt, die Ikone dem Augustinerkloster in der Neuhauser Straße zu spenden. Auch dort reißen die Besuche der Gläubigen nicht ab. Angeblich muss schon kurz nach dem Ortswechsel der Fußboden vor der Wundermadonna erneuert werden, so viele Füße haben ihn durchgetreten.
Die Hammerthaler Madonna steht heute in der Heilig-Geist-Kirche in München.
Foto: Christian Jakubetz
Noch heute beten viele zur Madonna
Und die „Hammerthaler Madonna“, wie sie genannt wird, tut ihr Bestes. Eine Frau, die seit sieben Jahren an Krücken geht, kann nach dem Lesen einer Messe zu Ehren des Gnadenbilds ihre Gehhilfe in die Ecke stellen. Als 1633 ein Haus in der Sendlinger Straße einstürzt und einen Studenten unter den Trümmern begräbt, erscheint ihm die Muttergottes aus dem Augustinerstift – kurz darauf wird er unverletzt geborgen. Einmal zieht die Madonna sogar eigenhändig einen jungen Burschen aus einem Fluss, der von einem Strudel fortgerissen worden war. Eine halbe Stunde ist er schon unter Wasser, als sie ihm Rettung verspricht und mit göttlicher Hand heraushilft. Noch 1929 schwört eine Witwe, dass die Muttergottes sie von ihrem Rheumatismus geheilt habe. So sagen es die Geschichten.
1638 wird die Marienstatue schließlich offiziell zum Gnadenbild erklärt. Bis zur Säkularisation bleibt sie im Augustinerstift. Als es 1803 aufgelöst wird, bringen ihre Verehrer sie in die Heilig-Geist-Kirche. Der neue Standort ist gar nicht weit vom ehemaligen „Hammerthaler Hof“ entfernt, dort, wo ihre Wundertätigkeit begann.
Noch heute beten viele Gläubige zur „Hammerthaler Madonna“ und zünden Kerzen zu ihren Füßen an. Sie ist die einzige Ikone, die nach ihrer ehemaligen, weltlichen Besitzerin benannt wurde.
STECKBRIEF Hammerthaler Madonna
Seeseiten, Sommer 2019.
Heimatgeschichten
erzählt von Tatjana Kerschbaumer
Was tun Sie gerade, …?
Die Keramikerin Monika Ulbrichtbetreibt die gleichnamige Werkstatt am Tegernsee in vierter Generation.