Kabarettist Martin Frank
Vom Schmarrn zum Star
Der Mann schaut so brav, dass man sich eines kaum vorstellen kann: dass er jemals richtig böse ist. Das Äußere ist Programm. Martin Frank gehört nicht zu den Kabarettisten, die eine Bösartigkeit nach der anderen raushauen. Aber Vorsicht, was auf den ersten Blick nach niederbayerischer Behäbigkeit aussieht, entwickelt seine Wirkung mit leichter Verzögerung. Deshalb unsere Gebrauchsanweisung: Lesen Sie dieses Interview langsam, aber gründlich!
Interview: Christian Jakubetz
Vom niederbayerischen Bauernhof auf die Bühne: der Kabarettist Martin Frank
Foto: Armin.com
Hier ein gedehntes „Jaaa…“, da ein herzhaftes „Mei…“: Der Niederbayer an sich ist weder ein Schnell- noch ein Dauerquassler. Und zu übertriebener Emotion neigt er auch nicht. „Ned gschimpft is globt gnua“, sagt er gerne. So gesehen ist Martin Frank ein Parade-Niederbayer. Ein Gespräch darüber, warum man als vom Bauernhof stammender Niederbayer beinahe zwangsläufig Kabarettist wird und warum ihm beim Tegernsee erst mal eines dieser herzhaften „Mei….“ rausrutscht.
Sie waren Standesbeamter, Kirchenorganist, dann haben Sie das Abitur nachgemacht – und jetzt sind Sie Kabarettist, ein erfolgreicher dazu. Wie kommt man dazu, treibt Sie irgendeine innere Unruhe?
Ich fürchte, ich bin ein Mensch, der sich nie richtig für etwas entscheiden kann. Ich will immer ganz viel ausprobieren und habe viel zu viele Pläne. Die kann ich zwar in meinem Leben nicht mehr alle schaffen, aber ich möchte es wenigstens probiert haben. Wie erfolgreich das dann wird, ist eine andere Sache. Aber ich denke mir immer: Wenn ich es nicht probiere, dann weiß ich es nicht.
Aber wie sind Sie denn ausgerechnet auf Kabarett gekommen? Hatten Sie schon immer eine entsprechende Ader, haben Sie die anderen Kinder im Kindergarten bespaßt?
Gute Frage. Ich glaube, ich war schon immer so ein klassischer Klassenclown. Am Anfang eher unbewusst, da habe ich einfach irgendwelche Kommentare und Sprüche losgelassen und die waren anscheinend lustig. Irgendwann macht man das halt bewusster, wenn man merkt: Da schau her, da wird ja gelacht! Mit der Zeit habe ich mir dann immer öfter gedacht, gut, dann werde ich halt Schauspieler. Da kannte ich den Beruf des Kabarettisten noch gar nicht. Ich hab‘ dann mit der Idee immer meine Familie belästigt.
Und die war begeistert?
(lacht) Die haben immer gesagt: Hör auf mit dem Schmarrn! Ich habe aber dann trotzdem mal in der Theatergruppe in Hutthurm (Martin Franks Heimatort im Bayerischen Wald; d. Red.) mitgespielt. Das war mir aber zu wenig. Ich wollte auch ernsteres Theater spielen. Dann bin ich ins Passauer Stadttheater. Da gab es einen Jugendclub. Das war auch ok, aber danach wollte ich wissen, wie es so ist, wenn man alleine auf die Bühne geht. Naja, und so hat sich das halt entwickelt.
Apropos Passau: Es gibt ja eine auffällige Häufung von Kabarettisten aus Niederbayern und da wiederum vor allem aus Passau. Bruno Jonas, Otti Fischer, Sigi Zimmerschied beispielsweise. Das sieht so aus, als müsste man zwangsläufig Kabarettist werden, wenn man aus Passau und dem Bayerischen Wald kommt …
Ich glaube, wir sind so weit weg vom Schuss, da muss man sich bemerkbar machen bei den Leuten. Sonst kennt uns und unsere Gegend ja keiner. Außer jetzt, bei Corona, da fahren sie natürlich alle in den Bayerischen Wald!
Weil sie die versteckte Schönheit entdeckt haben?
Nein, weil sie woanders ja nicht mehr hinkönnen. Im Ernst: Seit ein paar Jahren interessieren sich mehr Menschen für uns. Davon waren wir halt immer „da Woid“: finster, kalt, da wollen wir nicht hin. Aber vielleicht gibt‘s ja noch einen anderen Zusammenhang zwischen den Kabarettisten und ihrer Herkunft.
Aus dem “Woid” vor die Kamera: Martin Frank bei einem seiner immer häufigeren TV-Auftritte.
Foto: Bettina Müller
Welchen?
Die kommen gerne mal vom Bauernhof! Monika Gruber, Ottfried Fischer und ich ja auch – also, Niederbayern und Bauernhof, das ist quasi gleichbedeutend mit Kabarettist.
Ihre Vorgänger-Generation hat ja sehr politisches Kabarett gemacht, so politisch, dass die örtliche Zeitung eine Zeit lang nicht mehr über sie berichtet hat. Deren Programme waren ja auch immer ein Protest gegen die Dreifaltigkeit Kirche, CSU, Presse. Bei Ihnen habe ich den Eindruck, dass Sie sich für Politik gar nicht so sehr interessieren. Täuscht der Eindruck?
Ich bin sicher kein politischer Kabarettist. Aber ich merke schon, dass ich thematisch an Politik immer weniger vorbeikomme. Weniger wie die Kollegen das früher gemacht haben, dafür eher in Richtung Gesellschaftspolitik. Wir haben nun mal gerade wahnsinnig politische Zeiten. Zwischen der Generation Jonas und mir, da gab es nach meinem Eindruck mal eine Zeit, in der Politik keine so große Rolle gespielt hat. Aber mittlerweile, egal um was es geht, immer spielt Politik mit rein. Ich mache trotzdem keine Nummern über Koalitionsverträge oder sowas, das ist einfach nicht meins.
Sind das nicht gerade jetzt goldene Zeiten für Kabarettisten? Bei all dem, was gerade passiert …
Man muss sich als Kabarettist momentan gar nicht viel ausdenken, das stimmt. Aber ich hatte auch den Eindruck, dass bei manchen Kollegen während des ersten Lockdowns ein wenig die Übung weg war. Habe ich bei mir selber ja auch gemerkt. Ich habe wirklich eine ganze Zeit gebraucht, bis ich wieder ins Schreiben reingekommen bin. Und bis die ersten Nummern dann wieder richtig gut waren … (lacht), also das hat schon ein bisserl gedauert!
Echt, muss man als Kabarettist quasi immer ein bisschen trainieren?
Naja, als ich im März plötzlich von einem Tag auf den anderen ohne Auftritte dagestanden bin, da fand ich das am Anfang ganz angenehm. Ich hatte davor ja fast jeden Tag irgendwo gespielt. Aber dann, mit der Zeit, da bin ich fast ein bissel verwahrlost. Nach dem Motto: Ja mei, für wen werde ich denn heute aufstehen? Jetzt bin ich schon sehr froh, dass es wieder richtig losgeht.
Hat Ihnen das Publikum gefehlt?
Ja, natürlich. Außerdem, wenn ich irgendwo alleine meine Sachen schreibe, da weiß ich nie, ob das jemand lustig findet.
Man kann Reaktionen des Publikums nicht vorhersagen, oder?
Nein, überhaupt nicht. Ich sitze oft daheim und schreibe was und denke mir: Das ist der Brüller! Und dann spiele ich es und dann denke ich mir, ja gut, das finde jetzt wahrscheinlich nur ich lustig. Umgekehrt ist es auch schon passiert, dass ich was geschrieben habe, das fand ich nur so mittelgut und hab’s trotzdem mitgenommen, um der Nummer wenigstens eine kleine Chance zu geben. Und dann schmeißt sich das Publikum ausgerechnet da weg vor Lachen. Also, Humor ist einfach nicht berechenbar.
Und Geschmackssache.
Ja, eh klar.
Ich habe den Eindruck, dass neben dem Geschmack inzwischen auch die gewachsenen Empfindlichkeiten im Kabarett eine Rolle spielen. Da gibt es immer öfter Diskussionen nach dem Motto: Das darf man jetzt aber so nicht sagen! Beispielsweise die ganzen Diskussionen über Lisa Eckart, der man immer wieder vorwirft, sie sei antisemitisch. Frage an Sie: Würden Sie mit Lisa Eckart auf die Bühne gehen?
Ich war sogar erst vor kurzem mit Lisa Eckhart auf einer Bühne! Wir hatten gemeinsam eine TV-Aufzeichnung in Berlin. Und was diese Vorwürfe angeht: Die Lisa ist nullkommanull antisemitisch. Ich weiß überhaupt nicht, was das soll. Aber gut, wenn man was falsch verstehen will, dann versteht man was falsch. Wir haben gerade so eine komische Zeit, in der jeder sofort beleidigt ist. Die Leute gehen ganz schnell von null auf hundert und fühlen sich diskriminiert. Wenn es danach ginge, müsste man die ganze Welt in Watte verpacken. Aber so läuft’s einfach nicht!
In einer Ihrer Programmankündigungen heißt es u.a.: „Eine Welt, in der Männer sich beim Anblick von Frauenparkplätzen ebenso „diskriminiert” fühlen wie Mädchen, die nicht im Knabenchor singen dürfen. Letzteres kann Martin zwar sehr gut verstehen, wollte er als Junge doch auch gern Mitglied im Frauenbund werden. Bis seine Mutter ihm die Krampfader gezeigt hat und meinte: „Ohne die geht es nicht!”. Dann war die Sache für ihn erledigt.” Keine Angst vor einem Shitstorm bei solchen Ankündigungen?
Dafür einen Shitstorm?
Preisträger: Beim letzten Kleinkunstfestival der „Wühlmäuse“ in Berlin gewann Martin Frank den Jury-Preis. Im Bild: Moderator
Dieter Nuhr, Martin Frank, Ehrenpreisträger Hape Kerkeling, Initiator Dieter Hallervorden und Kabarettist Torsten Sträter.
Foto: Claudius Pflug
Man könnte ja sagen: Das ist sexistisch und frauenfeindlich …
Also, wenn das schon sexistisch ist, dann zweifle ich an der Menschheit. Keine Ahnung, was mit den Leuten los ist. Aber darum geht es auch in meinem neuen Programm: Jeder gehört einer Minderheit an, sogar solchen Minderheiten, die es gar nicht gibt. Manche Minderheiten entstehen einfach aus einer Einbildung heraus. Es gibt wirklich schützenswerte Minderheiten, aber ausgerechnet die werden in solchen Debatten vergessen.
Da hilft die niederbayerische Mentalität, der Niederbayer lacht auch mal über sich selber.
Ja, wenn er mal lacht, der Niederbayer, dann lacht er in sich rein über sich selber. Aber er würde das nie offen zeigen.
Ja gut, der Niederbayer zeigt ja nie was offen, oder?
Ich sag’ immer: Niederbayern ist das Land der angeborenen Emotionslosigkeit. Das merke ich ja an mir selbst auch. Ich war in München auf der Schauspielschule. Wie lange die gebraucht haben, bis die in mir eine Emotion hervorgerufen haben …
… als Mensch oder als Schauspieler?
Als Schauspieler. Bis man was gesehen hat, ob ich jetzt traurig bin oder glücklich, das hat lang gedauert. Und bei uns auf dem niederbayerischen Land, da herrscht einfach ein rauerer Umgangston. Das ist nicht mal beleidigend gemeint, das ist einfach so. Und dann haue ich schon mal was raus, aber ich merk das gar nicht so.
Dürfen Kabarettisten nicht ohnehin alles?
Dass sie alles dürfen, glaube ich nicht. Es gibt Sachen, die sind unter der Gürtellinie, irgendwelche „Späße“ über das Äußere von Menschen beispielsweise. Das ist meine persönliche Grenze.
Ihr neues Programm hat Mitte Oktober Premiere gefeiert. Nervös gewesen?
Und wie! Das ist zwar jetzt schon mein drittes Programm. Aber man fängt immer wieder von vorn an. Du suchst nach guten Pointen, nach einem roten Faden, nach einer Dramaturgie. Man könnte zwar meinen, wenn man das schon, wie in meinem Fall, zweimal gemacht hat, dann wird’s beim dritten Mal leichter. Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber bei mir ist das so: Ich muss mir das alles jedes Mal wieder neu erarbeiten.
Haben Sie solche handwerklichen Dinge mal gelernt?
Das kann man nicht lernen im klassischen Sinn. Zumindest ich nicht. Ich habe zwar viel aus der Schauspielschule mitgenommen, weil das ja im Grunde wie ein Ein-Mann-Theaterstück ist, was ich da mache. Aber trotzdem, ich muss vieles einfach immer wieder ausprobieren.
Wie groß war die Verlockung, irgendwas mit Corona zu machen?
Klar geht es auch um Corona, man kommt gar nicht dran vorbei, wenn man ein aktuelles Programm machen will. Ich hatte ja ursprünglich die Hoffnung, dass wir in solchen Krisenzeiten ein wenig zusammenrücken und alles ein bisschen menschlicher werden. Aber dann habe ich gesehen, wie sich die Leute im Supermarkt um Klopapier streiten. Motto: Scheiß auf die Lage der Nation, Hauptsache, mein eigener Arsch hat frei.
Und ein guter Joke zum Tegernsee, ist der dabei?
(lacht) Mei … der Tegernsee. Ich beneide euch ja nicht darum, weil der normale Tegernseer kann ja da gar nicht mehr hingehen. Das ist doch inzwischen der Haus-See der Münchner, oder?
Martin Frank sollte im Januar gleich dreimal mit zwei unterschiedlichen Programmen im Tegernseer Tal gastieren. Leider müssen wohl alle Termine ins Jahr 2022 verschoben werden.
“Einer für alle – alle für keinen”
“Es kommt wie’s kommt”
Seeforum
Nördliche Hauptstraße 35
Rottach-Egern
“Einer für Alle – Alle für Keinen”: Martin Franks Hoffnung auf ein Zusammenrücken der Menschen in Coronazeiten hat sich leider nicht bestätigt.
Foto: Andreas Kusy
Viktoria Rebensburg
Die Skifahrerin und Olympiasiegerin Viktoria Rebensburg wird Kolumnistin für die Seeseiten.