Das Magazin für die Region Tegernsee

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Legenden vom Riederstein

Schicksalhafte Begegnungen

Seit 1841 ziert eine Kapelle den Gipfel des 1207 Meter hohen Riedersteins. Um ihre Entstehung ranken sich gleich zwei tierische Legenden: Je nach Auslegung hat ein Bär maßgeblichen Anteil an ihrer Entstehung – oder Pferde.

Text: Tatjana Kerschbaumer / Illustration: Mariana Godoy

Der Riederstein und seine Kapelle thronen weithin sichtbar über dem Berggasthof Galaun und sind ein beliebtes Wanderziel.
Foto: Dietmar Denger für TTT

Ein Jäger ist auf der Pirsch. Doch anstatt Rehe, Hirsche oder Gämsen hat er Größeres im Visier. Ein Bär soll es sein, auch die passende Fährte hat er bereits aufgenommen. Von der Baumgartenschneid folgt der Jäger den Spuren des mächtigen Tieres bis hinunter zum Riederstein. Als er dort ankommt, erlebt er eine unerfreuliche Überraschung: Genau dort, wo der Fels steil abfällt und weder Bär noch Jäger ausweichen können, trifft er auf den Bären. Der Bär hat sich drohend zu seiner ganzen Größe aufgerichtet und ist im Begriff ihn anzugreifen. Der Jäger kann sich zunächst vor Schreck kaum bewegen. Erst im letzten Moment reißt er sein Gewehr hoch und schießt. Er trifft tödlich: Der Bär schwankt und stürzt schließlich stöhnend über den steilen Fels in die Tiefe.

Mit zitternden Knien wagt sich der Jäger vor bis zum Rand und schaut prüfend hinunter. Hat er das Tier wirklich erlegt? Und da passiert es: Auch er rutscht ab und fällt in die Tiefe. Ein „Heilige Mutter Gottes, hilf mir!“ soll er noch gerufen haben – obwohl ihm sofort klar ist, dass er den Sturz nicht überleben kann. Ob höhere Mächte oder simple Physik: Der Jäger überlebt den Sturz, denn er landet haargenau auf dem vor ihm abgestürzten Bären. Dessen massiger Körper und sein weiches Fell federn den Sturz des Jägers ab, der deshalb mit dem Leben davonkommt. Zum Dank, so heißt es, baut er eine der Gottesmutter geweihte Kapelle, exakt dort, wo sich der Vorfall zugetragen hat.

Auge in Auge mit dem Bären hinterm Riederstein

Eine alternative Legende schreibt den Bau der Kapelle dem Bauern des Leeberghofs zu. Dessen wertvolle Rösser, die zum Weiden im Gebiet des Riedersteins sind, werden dort von einem Raubtier bedroht – ob Bär oder Wolf ist nicht überliefert. In ihrer Angst flüchten sie immer weiter nach oben, versteigen sich und finden sich am Ende ebenfalls auf dem gefährlichen Felsvorsprung wieder. Wie durch ein Wunder kommen aber alle Pferde vom Riedersteinsporn zurück, keines ist verletzt oder gar abgestürzt. Der Leeberghof-Bauer ist darüber so froh, dass er die Kapelle errichtet.

Ob Bär oder Rösser: Gesichert ist, dass der Ursprungsbau der Kapelle auf 1841/1842 datiert. Erstellt hat ihn Josef Hupfauer, seinerzeit Schlossdiener in Tegernsee. Die achteckige Kapelle „mit spitz zulaufendem Dach“ ist damals aber so klein, dass nur zwei Gläubige darin Platz finden und muss deshalb bald erweitert werden. Gut zehn Jahre später wird sie ausgebaut, ihre bis heute erhaltene Form erhält sie in den Jahren 1863 und 1864. Seitdem haben zehn bis zwölf Personen in dem fünf Meter langen Kirchlein Platz.

1897 gründen Tegernseer Bürger schließlich den „Riederstein Verein“, der den Unterhalt der Kapelle gewährleisten soll. Der Verein kümmert sich nicht nur um die Instandhaltung der kleinen Kirche, sondern auch um die des zu ihr führenden Kreuzwegs: Dieser führt vom Galaun aus über 500 Treppenstufen an 14 Stationen hinauf zur Kapelle.

Dem Verein ist es auch zu verdanken, dass prominente Besucher des Riedersteins und der Kapelle bekannt sind: 1828 etwa weilt Kronprinz Johann Nepomuk von Sachsen am Tegernsee und versteigt sich beim Pflanzensammeln am Riederstein so im Fels, dass er von einem Forstgehilfen gerettet werden muss. Alles geht gut – der Adlige wird Sachsen von 1854 bis zu seinem Tod 1873 als König Johann regieren. Auf den Besuch Adolf Hitlers im Herbst 1932 hätte das Riederstein-Kircherl vermutlich lieber verzichtet. Der rückte damals „mit drei seiner engsten Parteifreunde“ an – hatte in späteren Jahren aber wohl keine Zeit oder Lust mehr, der Muttergottes auf dem Berg nahe zu kommen.

Hinter der Geschichte

NAME: Riedersteinkapelle
ENTSTEHUNG: 1841/42, Neubau 1863/64
BESONDERHEIT: Pietà von Joseph Wirt, Schüler des Münchner Historienmalers Joseph Schlotthauers
WEGBESCHREIBUNG: Vom Wanderparkplatz am Sonnleitenweg (Sonnleitenweg 10, 83684 Tegernsee) der Straße kurz Richtung Süden folgen. Links der Beschilderung „Galaun“ folgen und anschließend auf dem markierten Weg „Galaun über Pfliegeleck“ bleiben. Nach etwa einer Stunde erreicht man den Berggasthof Galaun direkt unterhalb des Riederstein-Gipfels. Am Berggasthof vorbei beginnt links der gut ausgeschilderte Kreuzweg, der bis hinauf zur Kapelle führt.

Heimatgeschichten
erzählt von Tatjana Kerschbaumer

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