Brennerei Fischerweber
Der Mann mit dem richtigen Riecher
Ein feines Näschen – das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für erfolgreiche Schnapsbrenner. Das von Anton Huber von der Brennerei Fischerweber ist so fein, dass er mit seinem Schnaps immer wieder Preise einfährt.
Text: Ute Watzl / Fotos: Urs Golling
Man hat es oder man hat es eben nicht: das richtige Gespür für guten Brand.
Langsam fährt der Rollladen die Wand hinauf. Nach und nach enthüllt er ein Regal mit der bunten Vielfalt perfekt ausgeleuchteter Flaschen. Wie einen Schatz, verborgen im Hintergebäude dieses sowieso schon prächtigen Hauses, das vor oberbayerischem Alpincharme nur so strotzt.
Es ist die ganze Palette der rund 40 Sorten Liköre, Edelbrände und – seit neuestem – auch Gin aus dem Hause Fischerweber. Davor steht Anton Huber und sagt nicht ganz ohne Stolz und demonstrative Bescheidenheit: „Da hat ma a bissel Auswahl, für jeden wos dabei.“ Huber, in Trachten-Joppe und mit akkurat gestutztem Schnauzbart, kann stolz sein auf seine Nase. Nicht, dass diese auf den ersten Blick ungewöhnlich oder aus irgendeinem Grund ausgefallen schiene. Es ist eher das, was sie kann. Nämlich feine Unterschiede riechen. Das macht sich dann bezahlt, wenn beispielsweise der Bayerische Staatsehrenpreis an die besten Schnapsbrennereien vergeben wird. Aber dazu später.
Leuchtende Liköre
In diversen Rot- bis Blautönen leuchten die Liköre, darunter die golden, orange und braun schimmernden Brände. Das sieht hübsch aus. Doch viel wichtiger ist Anton Huber, wie es schmeckt: Jeder Brand solle nach der Frucht schmecken, die draufsteht, und zwar zu hundert Prozent. „Es ist nix anderes dabei.“ Heißt: Keine Farbstoffe, keine künstlichen Aromen. Nur dann ist ein Brand ein Edelbrand. „Ansonsten schimpft sich das Ganze ja Spirituose“, sagt Huber trocken.
Der Mann ist kein Freund der blumigen Worte. Er sagt, was wichtig ist. Alles unter 38 Prozent seien Spirituosen, und da herrsche Narrenfreiheit. „Da kann alles verwendet werden, was die Lebensmittelchemie so hergibt.“ Aber so etwas kommt ihm nicht in die Flasche. Stattdessen hundert Prozent Äpfel, Zwetschgen und Vogelbeeren aus dem Tegernseer Tal, Kirschen und Williamsbirne vom Bodensee, Marillen aus der Wachau. Das alles von bester Qualität, ergänzt Anton Huber Junior, der neben seinem Vater steht.
In fünfter Generation: Anton Huber Junior wird das Geschäft im Sinne seines Vaters weiterführen.
Er ist schon als Kind mit ins Geschäft hineingewachsen, hat mit seinem Bruder Obst geerntet und gesäubert und beim Einmaischen geholfen. Vergangenen Sommer hat er eine Ausbildung zum staatlich anerkannten Brenner gemacht und übernimmt nun nicht nur das Geschäft, sondern auch die Philosophie des Vaters, die da lautet: Aus minderwertiger Frucht kann kein hochwertiger Edelbrand entstehen. Die goldene Regel: „Ois, was man nicht essen möcht, kommt auch nicht in den Bottich nei.“
Was zählt, ist die „Trinkstärke“
Eines der bisher unbekannten Wörter, die man im Gespräch mit einem ausgebildeten Brenner wie Anton Huber lernt, ist „Trinkstärke“. Das Destillat, das mit einer Alkoholstärke von erstaunlichen 80 Volumen Prozent (Vol %) aus der Brennanlage kommt, wird mit Wasser auf eine Trinkstärke von 42 Vol % heruntergesetzt. Ein anderer Fachbegriff ist Maische: zerkleinerte Früchte, die drei bis sechs Wochen in einer Art überdimensionalem Thermomix gären, bevor diese Masse im Brennofen destilliert wird.
Seit 1870 wird in diesem stattlichen Hof am Seeufer des Egerner Malerwinkels Schnaps gebrannt. Damals erhielt der Hof, der fürs Kloster in der Egerner Bucht fischte und eine Weberei betrieb, das Brennrecht. Es wurde bis heute über mehr als 150 Jahre und vier Generationen vererbt. Ein Tegernseer Traditionsbetrieb par excellence, der auch immer Gäste beherbergte. Schon der Urgroßvater seiner zwei Söhne habe Schnaps gebrannt, erzählt Huber, wobei das ja damals eher „Weibersleit-Arbeit“ gewesen sei. Denn gebrannt wurde in der Küchen auf dem Ofen.
Anton Huber selbst hat in die Familie hineingeheiratet und zwar weitestgehend unbedarft auf dem Gebiet des Schnapsbrennens. „Dabei zusehen können, wie aus Obst Schnaps wird, das hat mir gefallen.“ Und er entdeckte das ungeahnte Talent seiner Nase. In Brennkursen erlernte er das Handwerk professionell. Vieles hat sich über die Jahrzehnte geändert. Der Hof wurde zum Hotel Garni, in der Garage installierte Huber einen Brennofen.
Wie die Seele der Frucht in die Flasche kommt
Und 2010 dann der nächste Schritt: Der Schnapsbrenner Huber wird Sommelier. Was seine geschulte Nase wahrnahm, lernte er zu unterscheiden, zu beschreiben, fachfremden Gästen zu erklären und passenden Geschmacksrichtungen zuzuordnen. „Wonach riechen die Destillate, was schmeckt man da heraus, was ist drin“, das alles habe er als Sommelier lernen müssen. Man nehme nur die Vogelbeere. Sie schmeckt ein wenig nach dem Waldboden, auf dem sie wächst, und nach modrigem Laub. Dazu eine typische Marzipan- und die Schokoladennote – für Huber ist das eine überraschende Geschmacksexplosion. „Oder würden Sie einen solchen Geschmack dieser bitteren Beere zutrauen?“ Das Destillieren veredele das Obst, schwärmt er. „Es bringt die Seele der Frucht in die Flasche.“
Neue Generation, neue Ideen: Der Gin entstand auf Wunsch des Juniors.
Mit der Geschmacksschulung kam auch die Modernisierung der Brennerei. Ein kupferfarben glänzender Brennofen im renovierten Rückgebäude lädt seitdem Gäste und Interessierte dazu ein, einem etwa dreistündigen Brennvorgang zuzuschauen. Die einen betreiben eine Schaukäserei, Anton Huber hat seine kleine private Schaubrennerei. Hier verstehen dann auch Laien, was das sogenannte Geistrohr ist, welche Erhitzungs- und Abkühlungsstufen die Maische durchläuft und wo sich die Spreu vom Weizen trennt. Nämlich dann, wenn am Ende das Destillat aus dem Ofen fließt: zuerst der Vorlauf, der nach Nagellackentferner, Kleber und ätherischen Ölen riecht und deswegen so gut wie möglich vom danach herausfließenden, hochwertigen Destillat abgeschieden werden muss – und zwar manuell.
Und hier kommt Anton Hubers Nase ins Spiel. Denn gewissermaßen scheiden sich an dieser Stelle auch die Geister, um im Schnapsjargon zu bleiben. Dass der Fischerweber Brennerei 2020 der Bayerische Staatsehrenpreis für Edelbrenner verliehen wurde, ist vor allem diesem Moment zu verdanken, in dem Hubers Nase entschied: Jetzt riecht‘s gut! Und dann ein zweites Mal vorm seifig riechenden Nachlauf, den er dem Brennofen entlockt: Bis hierhin und nicht weiter! Für diesen richtigen Moment bei der Selektion hat Huber ein Näschen.
Schnaps-Sommelier Anton Huber empfiehlt, statt Bier oder Wein einfach mal ein, zwei Stamperl eines guten Destillats zum Essen zu trinken. Zum Beispiel Zwetschgenbrand im Maulbeerfass zu einem guten Bier- oder Schweinebraten oder Vogelbeer-Schnaps zum Rehrücken. „Das sind ganz neue Geschmackserlebnisse als mit einem Bier.“
Fischerweber‘s Edelbrände & Fruchtliköre
Überfahrtstraße 1, Rottach-Egern
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